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Schülerverkehr im Landkreis Wittenberg Teure Lösung bevorzugt

Wittenberg –

Etliche Eltern und ihre Kinder können aufatmen: Der Kreistag hat sich lange gemüht und am Montagabend nicht gekleckert, sondern geklotzt. Getroffen wurde nach über einjähriger Diskussion in den Ausschüssen und umfangreicher Verwaltungsarbeit eine wegweisende Entscheidung, die dazu beitragen soll, die Zeit, die Kinder auf dem Schulweg verbringen, zu verkürzen.

Eine klare Mehrheit der Abgeordneten votiert dafür, die „Richtzeiten für die Planung der Beförderungszeiten“ zu verkürzen: bei Grundschulen von derzeit 45 auf 30 Minuten, bei Sekundarschulen von 60 auf 45 Minuten (eine Richtung). Gelten sollen die neuen Zeiten ab nächstem Schuljahr. Als Wartezeiten sind in der nun beschlossenen Satzung fixiert: 30 Minuten vor Unterrichtsbeginn, 30 Minuten nach dem Unterricht.

Leicht haben sich die Kreisräte die Entscheidung nicht gemacht, es existieren, und das ist ein Novum, sogar zwei umfangreiche Beschlussvorlagen. Die eine betrifft Sekundar- und Grundschulen sowie Gymnasien, die andere nur Grundschulen. Der Unterschied liegt unter anderem bei den Kosten. Bei Variante eins beläuft sich der geschätzte Mehraufwand auf rund 560.000 Euro pro Jahr, bei Variante zwei, bei der lediglich die Richtzeit für Grundschulen reduziert werden sollte, auf 109.000 Euro.

Das ist bei nicht üppiger Haushaltslage ein gravierender Unterschied.

Der Kreistag entschied sich bei neun Nein-Stimmen für die teure Lösung – einige Räte haben sich vehement dafür eingesetzt. Zum Beispiel Enrico Schilling. „Wir leben in einem Flächenlandkreis und die Schullandschaft hat sich deutlich verändert“, sagte der CDU-Mann. Über 5.000 Schüler seien auf den Bus angewiesen – und einige von ihnen lange unterwegs, manche hätten längere Tage als ihre Eltern.

Nicht zuletzt wegen veränderter Einzugsbereiche, um die Schulstandorte zu sichern. Schilling warb: „Lassen Sie uns mutig sein, auch wenn es mehr Geld kostet.“ Vertreter der Linken sprachen sich ebenfalls für Variante eins aus: „Bei uns haben auch Sekundarschüler kurze Beine.“

Was allerdings scheiterte, war ein Antrag der Fraktion, Gymnasien (für die 60 Minuten Richtzeit gelten sollen) gleichzusetzen mit Gesamt- und Gemeinschaftsschulen (90 Minuten). Dafür fand sich keine Mehrheit. Horst Dübner (Linke) hatte zuvor noch die Schulpolitik des Landes kritisiert: „Die Wege sind immer weiter geworden.“

Er sagte zudem: „Gute Bedingungen für das Lernen müssen an erster Stelle stehen.“ Was nicht zuletzt die Grüne Reinhild Hugenroth unterstützt. Sie verwies auf eine Studie, die einen Zusammenhang zwischen Lernerfolg und weiten Wegen herstellt: „Die Noten sind danach auch davon abhängig, wie lange Schüler unterwegs sind.“

Allerdings bleiben manche Kreisräte skeptisch und warnen davor, viel Geld auszugeben für einen zweifelhaften Nutzen. „Das löst das Problem nicht“, bemerkte etwa Reinhard Rauschning (SPD). Vielmehr müssten Bürgermeister über den Tellerrand schauen und Kinder über die Stadtgrenzen hinaus fahren lassen: „Das würde Wege verkürzen.“

Er warb zudem für andere Routen, die mit den Verkehrsunternehmen ausgehandelt werden sollten. Im Übrigen seien die Kosten pro betroffenem Sekundarschüler so hoch, dass dafür ein guter Gebrauchtwagen zu erstehen sei.

Rauschning plädierte daher für Variante zwei – wie auch Peter Müller (Freie Wähler): „Hier wird viel Geld für wenige Schüler ausgegeben. Man kann nicht alle Wünsche erfüllen. Was mich mehr beschäftigt, das sind die Wartezeiten. 30 Minuten erfüllen wir nicht. Manche Schüler müssen eine Stunde auf ihren Bus warten.“